35mm selbst entwickeln muss nicht gelernt sein - Meine Erfahrung

*First published on 14.09.2022 and removed for personal reasons*

 

(In case you didn't notice, this post is in German, because I felt like it. Worry not, I am not switching languages permanently)

Geringste Schärfentiefe - f/1.4 50mm G.Zuiko

Sicherlich kennt man den Spruch: „...denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen...“So - laut meiner Deutschlehrerin -  schrieb es Goethe schon vor über zweihundert Jahren. Den tatsächlichen Kontext dieses Zitats innerhalb seines Magnum Opus ‚Faust. Eine Tragödie.‘ kannte ich nie, da er für mich immer in Verbindung mit einer auf den Schüler gerichteten Mahnung, die zahlreichen Macken der hochmodernen Neuland-techniken (unter ihnen Google Sheets) nicht als Ausrede für uneingereichte Hausaufgaben zu nutzen, stand, und daher mein Leben bislang wenig beeinflusste. Noch weniger währt er in unserer immer weiter digitalisierten Welt überhaupt noch wahr. Was heißt es eigentlich heutzutage noch, etwas „schwarz auf weiß“ zu besitzen? Die mit Sicherheit vorhandenen Juristen in meiner schmächtigen Lesergruppe mögen es vielleicht klugscheißerisch genau in Worte fassen können meinen, aber für mich blieb diese Frage in den letzten Jahren unbeantwortet. Immerhin wurde erst vor kurzem, wo vor wenigen Jahrzehnten ein echtes, physikalisches Blatt Papier als Bestätigung einer bestimmten akademischen Leistung, Auszeichnung oder Zertifikation galt, ein gesamtes Semester, beinahe ein ganzes Jahr Universitätsstudium in Form von winzigen, luminierenden Quadraten vermittelt, ohne, dass auch nur eine einzige Person ein Auditorium betreten musste. Doch gestern Nacht konnte ich, durch die auf diesem Blog wohl dokumentierte Geisterfahrt in die sich allmählich in Insolvenz auflösende Welt der Filmfotografie, Goethe‘s Satz aus einem neuen Winkel betrachten.

 


Man nehme etwas Silberhalogenid…

Ich stelle vor, den Protagonisten dieser Erzählung: ILFORD HP5+ 400 ist ein Schwarzweißfilm, der, vor allem hier im Vereinigten Königreich, eine sehr ökonomische und beliebte Wahl unter Amateurfotografen ist. Meine allererste Erfahrung mit monochromatischem Filmvorrat, die dritte überhaupt mit 35mm, verging unglimpflich, denn der Vertreiber dieser wortwörtlichen Klorolle konnte (oder wollte) sich nicht dessen vergewissern, dass man auch etwas Haltbares verkaufe. Damals, also im Frühjahr, war ich noch etwas vorsichtiger; ich verschwendete mehr Zeit damit, den richtigen Winkel zu finden, die Belichtungszeit abzustimmen, die mentalen Toleranzgrenzen abzutasten, und daher waren diese schlechten Ergebnisse umso schmerzhafter. Dass ich mich dann ein paar Monate später wagte, die Entwicklung dieser letzten, im Sommer geschossenen Rolle, selbst durchzuführen, war ein kleiner Sprung über den eigenen Schatten.

Eigentlich hatte ich diesen Schritt zur fotografischen Selbstständigkeit schon im Voraus geplant, denn als eine enge Freundin mir zwei im Jahre 1989 in der DDR hergestellte Rollen ORWOChrom UT21 schickte, dessen Entwicklungsvorgang von beinahe keinem Fotostudio Deutschlands, geschweige denn Großbritanniens, noch durchgeführt wird, wurde mir klar, dass ich erstens als angehender Physiker sicherlich zur Heimentwicklung des Films in der Lage war, und ich zweitens so meine Kapazitäten an den Zeitalter bedingten Grenzen vorbei erweitern konnte. Geld dazu hatte ich, dank meines 10-wöchigen Praktikums im Cavendish-Labor des Department of Physics an der University of Cambridge, genügend. Den Film hatte ich ebenfalls bereits.







Die ersten Bilder auf der Rolle stammen von diesem Praktikum, wir hatten auf unseren Werkbanken nämlich eine Schlieren-Vorrichtung aufgebaut, und keine bessere Kamera zur Aufnahme zur Hand, als meine neue alte Olympus. 





Kurz nach einem anstrengenden Tag der offenen Tür an der Uni, der hier ebenfalls zu sehen ist, reiste ich zurück nach München und danach nach Berlin, um den 18. meines Bruders, Philip, zu feiern, die dortigen Fotos sind unten abgebildet. 







Die übrigen Aufnahmen fanden in München statt, an einem Tag, an dem ich mich mit meinem besten Freund Alex und einen weiteren ehemaligen Klassenkameraden traf.



Der Tanz mit dem Krebserreger

Wie entzieht man denn eigentlich dieser dünnen Emulsionsschicht den Willen, sich im sichtbaren Licht in nichts aufzulösen? Es gibt dazu zahlreiche YouTube-Videos, die das Chemische dieser Angelegenheit weitgehend besser beschreiben, als ich es kann, aber ich werde mitteilen, dass die einzige wahre Herausforderung darin besteht, in kompletter Finsternis diese kleine 35mm-Hülse aufzuzwingen, den Inhalt vorne und hinten zuzuschneiden, und auf eine Spule im inneren des Entwicklungstanks zu befördern. Wenn ins Zimmer der Wahl, in meinem Fall mein etwas schimmeliges WG-Bad, ein zu wesentlicher Lichteinfall besteht, kann die Rolle schonmal schnell ruiniert sein, was man dann auch erst am Ende der ganzen Hantierung erfährt. Nach Erfolgreicher Übertragung in die Trommel durchschwimmt der Film mehrere temperaturregulierte, genau abgetaktete Spülungen, die ersten bis dritten aus bestimmten chemischen Lösungen, und danach nur noch aus Wasser und einem leichten Detergens. Ich hatte, zusätzlich zum sinnvollen Augenschutz, und obwohl ich es im Nachhinein für unnötig hielt, meinen Laborkittel an, da in der ersten Developer-lösung doch Stoffe enthalten waren, bei denen Verdacht auf Krebserregung vorliegt, nennenswert ist hier Hydrochinon. Ich bekam den Stoff natürlich trotzdem auf die Hände, aber nach kurzer Recherche schien er auch in modernen Hautcremes vorzukommen, also sorgt mich dies nicht allzu sehr.

 



Ich bin natürlich sehr zufrieden mit diesen Ergebnissen, und möchte daher bald den etwas anspruchsvolleren C-41 Farbvorgang ausprobieren. Ich merke, dass mir nicht nur das Kreative an dieser Technik, sondern auch das Wissenschaftliche, vermeintlich Mundane daran, gut gefällt. Wenn ich jetzt noch an einen eigenen Scanner kommen könnte, wär der ganze Prozess wirklich allein von eigener Hand auszuführen. Auf Grund dieser neusten Erfahrungen macht ein äquivalenter Satz zu dem oben erwähnten Zitat Goethes für mich heute mehr Sinn, denn was man Silber auf Polyester besitzt, kann man getrost zur Aufnahme tragen.





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